Wenn Christian einem mit strahlenden Augen von seiner bevorstehenden Radtour nach Istanbul erzählt, kann man kaum glauben, dass ihm an Ostern das letzte Mal “der Kopf aufgemacht wurde,” wie er es ausdrückt. Als bei ihm mit 24 Jahren die Diagnose “Gehirntumor” feststand, musste nicht nur er, sondern auch sein Umfeld erst lernen, mit der Erkrankung umzugehen. Um anderen den Umgang mit Krebs zu erleichtern, ihnen Mut und Lebensfreude zu geben, hat er die Tour for Life ins Leben gerufen, bei der jeder mitfahren kann. Bevor es kommendes Wochenende losgeht, durften wir ihm noch ein paar neugierige Fragen stellen.
Hallo Christian, wie geht es dir?
Danke, mir geht’s gut. Bis Ostern musste ich eine Chemotherapie machen und in dieser Zeit ging es mir recht dreckig. Umso glücklicher bin ich, dass das Wetter einlädt, wieder mehr Zeit draußen, auf dem Rad, oder beim Wandern zu verbringen.
Was ist deine Geschichte?
Ne ziemlich krasse Geschichte wenn Du mich so fragst. Angefangen hat die ganze Geschichte mit 24, als ich nach einem epileptischen Anfall bewusstlos vom Schwimmbadboden “gefischt” wurde. Kurze Zeit später hieß es, ich habe einen Gehirntumor. Nun plage ich mich schon seit 2007 damit rum. Zwischenzeitlich habe ich drei Operation und ‘ne Bestrahlung plus Chemotherapie hinter mir. Die letzte OP war besonders heftig, da ich danach erstmals zwei Wochen nicht richtig laufen konnte. Die Krankheit hat mein Leben total umgekrempelt und mir, man könnte sagen “ungewollt”, ein zweites Leben eröffnet.
Was ist die Tour for Life? Was möchtest du damit erreichen?
Mit der Tour For Life möchte ich auf die Situation der von Krebs betroffenen Menschen aufmerksam machen. Traurigerweise kennt doch mittlerweile fast jeder in seinem Bekannten- oder Familienkreis jemanden, der von der Krankheit betroffen ist. Mein Ziel ist es, mit der Tour Mut zu machen und eine Plattform zu bieten, um gemeinsam eine schöne Zeit auf dem Rad zu verbringen. Ich möchte andere motivieren, ihr Leben neu zu er-fahren, indem sie mich auf der Tour begleiten oder auch nur etappenweise ein Stück mitfahren. Gleichzeitig möchte ich mit der Tour For Life-Spendenaktion Gelder für die Krebsforschung und Krebsberatungsstellen sammeln. Hierzu stehe ich in engem Kontakt mit den Stiftungen und Vereinen.
Was hat dich motiviert, die Tour for Life auf die Beine zu stellen?
Bewegung, Natur, Begegnungen, die Welt bereisen. Das ist ein Teil dessen, was Radfahren für mich ausdrückt. Radfahren hält mich fit, stärkt mein Immunsystem und gibt mir auch psychisch viel Rückenwind. All dies möchte ich an meine Mitmenschen weitergeben und dazu ermutigen, mitzufahren. Ich freue mich auch sehr darauf, im Rahmen der Tour For Life andere Länder und Kulturen kennenzulernen.
Was gibt dir das Radfahren?
Radfahren macht mir einfach Spaß. Aufschwung. Den Fahrtwind spüren, die Geräusche und Gerüche um sich herum wahrnehmen und auf den Touren neue Bekanntschaften machen. Nicht zuletzt ist Radfahren für mich auch Training um mich fit zu halten. In der Krebs-Nachsorge und Prävention werden moderate Ausdauersportarten wie Radfahren, aber auch Laufen und Schwimmen empfohlen. Mittlerweile macht mir auch das Schrauben am Fahrrad richtig Spaß.
Warum die Strecke Berlin-Istanbul?
Berlin-Istanbul soll erst der Anfang sein und ist für mich gleichbedeutend mit “Quer durch Europa”. Viele waren schon in Südostasien oder Australien. Wer kann aber behaupten, schon einmal mit dem Rad Europa bereist zu haben? Ich finde, dass es durch diese Form der entschleunigten Reise möglich ist, seine Umwelt intensiver wahrzunehmen und sich besser zu erholen.
Ist es nicht gefährlich für dich, eine so lange Tour zu machen?
Mittlerweile habe ich gelernt, ganz gut auf meinen Körper zu hören und kann einschätzen, wie viele Kilometer ich am Tag durchschnittlich schaffe. Es wird auf den Strecken immer wieder Pausentage geben, um sich zu erholen. Außerdem wir die Tour weitestgehend durch zivilisierte Gegenden führen, medizinische Versorgung ist im Ernstfall also nicht fern. Natürlich sollte sich jeder, der an der Tour teilnimmt, fit genug für die Tagesetappen fühlen und für den Notfall über eine Auslandsreisekrankenversicherung verfügen. Das wichtigste ist aber, dass das Rad und hierbei besonders die Bremsen gut funktionieren. Mit Helm fahre ich schon lange, auch wenn’s doof aussieht. Wahrscheinlich ist mein täglicher Arbeitsweg durch den Verkehrsdschungel der Innenstadt wesentlich gefährlicher als von Berlin nach Istanbul zu radeln.
Kann man die ganze Strecke oder einen Teil mitfahren? Kann man auch “gesund” mitfahren?
Ja, ich freue mich über jeden Mitfahrer! Auch wenn es nur für ein Teilstück ist. Ganz nach Lust und Laune. Wenn’s dir gefällt, fährst Du einfach noch länger mit. In diesem Jahr sind neben der “Startschuss-Tour” am 6. Juni in Berlin noch eine Tour von Berlin nach Heidelberg sowie eine wunderschöne Tour von Freiburg durch den Schwarzwald bis zum Bodensee und von dort aus entlang des Bodensee-Königssee Radwegs bis in die Mozartstadt Salzburg geplant. Die Touren findest du auf der Tour for Life-Webseite, auf Facebook und natürlich auch hier auf komoot. Bei weiteren Fragen zur Teilnahme schreib mir einfach eine Mail.
Wie kann man die Tour for Life anders unterstützen?
Am besten indem ihr euren Freunden von dem Projekt erzählt und sie dazu animiert, an der Tour teilzunehmen. Gleichzeitig besteht die Möglichkeit, die Tour For Life-Spendenaktion via betterplace.org zu unterstützen. Außerdem wird es demnächst ein Tour For Life-Rad- sowie Lauftrikot geben, dessen Erlös durch den Verkauf zu neunzig Prozent an die zu unterstützenden Stiftungen und Vereine geht.
Du kämpfst für einen offeneren Umgang mit schweren Krankheiten. Warum?
Ich musste die Erfahrung machen und habe auch schon von anderen Betroffenen erfahren, dass manche Menschen, nachdem sie von deiner Krebs-Erkrankung erfuhren, dich als “unheilbar” oder “todkrank” abstempeln. Ich glaube, viele Betroffene trauen sich deshalb nicht, offen mit ihrer Erkrankung umzugehen. Auch mir viel das anfangs sehr schwer, aber genau solchen Klischees möchte ich mit der Tour For Life entgegenwirken und beweisen, dass viele von uns nicht bereit sind, sich aufzugeben und zurückzuziehen.
Du steckst voller Kraft, Mut und Lebensfreude. Wie machst du das?
Ich denke das liegt daran, dass ich gelernt habe, mich jeden Tag auf’s Neue zu freuen und dadurch die Welt mit anderen zu Augen zu sehen. Es gibt so vieles da draußen was es noch zu entdecken gibt. Ich finde Dankbarkeit ist ein ganz wesentlicher Punkt zu einem glücklichen und erfüllten Leben.
Vielen Dank für das offene Gespräch, Christian. Wir wünschen dir viel Erfolg und Freude auf der Tour und nur das Allerbeste.
Mehr Infos zu Strecke, Spenden und Mitfahrmöglichkeiten findet ihr auf der Webseite von Tour for Life. Natürlich könnt ihr ihm auch auf komoot folgen. Und wer das Ganze nochmal von Christian selbst erklärt haben möchte, schaut sich folgendes Video an.